Ausschnitt aus meinem Amazonenroman Emilias Gift

Heute ist es soweit!

Ich habe an meinem Amazonenbuch alle Korrekturen vorgenommen und schicke „Emilias Gift“ nun meiner Lektorin zu.

Die Geschichte wird also langsam flügge und ich sammle schnell alle zurückbleibenden Federn ein und zeige sie euch: Ein Ausschnitt aus dem ersten Kapitel. Ich hoffe, ihr habt Spaß dabei, in Emilias Abenteuer einzutauchen.

Ausschnitt aus dem ersten Kapitel von „Vayas Töchter – Emilias Gift“

1 Emilia

6. Juni 2020 in Essen, NRW, Deutschland.
20:58 Uhr im Keller des Herrenhauses der Belladrams.

Emilia Belladram stand in der Tierkammer ihres unterirdischen Labors und beobachtete, wie ihre Vogelspinne zuckend auf dem Rücken lag. Seitdem das Tier nichts mehr gefressen hatte und träge geworden war, hatte die Toxikologin stündlich mit der Häutung der Spinne gerechnet.
Nun war sie in vollem Gange. Es war das achte Mal, dass ihr Versuchstier seine Hülle abwarf, und sie hoffte, dass ihr Warten auf die Reife endlich ein Ende haben würde. Emilia verhielt sich ganz still und schaute der Spinne nur über eine Kamera bei der Anstrengung zu.
„Lass dir Zeit“, murmelte sie. „Keine Hast.“
Häutungen waren ein aufreibendes Unterfangen und ihre Spinne war von großem Wert. Es war das letzte lebende Exemplar einer ganzen Versuchsreihe.
Der Chitinpanzer war nun schon über die Länge des Rückens aufgebrochen und pulsierend schälte das neu gezüchtete Tier sich aus der alten Hülle heraus. Es war beinahe geschafft. Emilia hielt die Spannung nicht mehr aus und hastete zum Terrarium hinüber. In einem letzten Aufbegehren löste sich die Spinne aus der abgestorbenen Schicht. Der Achtbeiner lag erschöpft vom Kampf gegen die eigene Haut da und präsentierte sich den Augen der Wissenschaftlerin in seiner ganzen Pracht.
„Oh, mein Gott“, wisperte sie, „du bist wunderschön.“
Die Toxikologin hatte die Keimzelle des Achtbeiners um die DNA anderer giftiger Lebewesen ergänzt und so ein Hyper-Tox-Wesen erschaffen, das sie auf den Namen Avicularia Tetraodontidae Viperidae Dendrobatinae Meloidae taufte.
Sie lächelte stolz. „Und kurz Avicularia Emilia.“
Bald würde sie ihre Spinne melken und sehen, ob ihr Gift die erhoffte Wirksamkeit hatte.
„Das Gift der Gifte“, flüsterte sie. In den Tiefen ihres Forschergeistes machte sich erwartungsvolle Aufregung breit.

„26. August 2020, 19:43 Uhr“, sprach Emilia in das Aufnahmegerät.
Sie hatte alles für den anstehenden Versuch vorbereitet, setzte sich nun in den Laborsessel und fuhr mit dem Experimentprotokoll fort: „Autologe Challenge 214/3. Dreizehnter Tag mit dem Gift der Avicularia Emilia. Immer noch gleiche Dosis, siehe Versuchsprotokoll 209/3. Seit einer Minute und 46 Sekunden ist das Präparat im Organismus.“
Sie schloss die Augen und begrüßte das Gift in ihrem Körper mit einem Lächeln. Mit jedem Herzschlag verteilte es sich mehr und mehr in ihrem Blutkreislauf. Das vielfach kombinierte Spinnentoxin jagte durch ihre Nervenästchen und begann mit dem ersten Reiz.
„Meine Lippen werden träge“, protokollierte sie.
Emilias Puls beschleunigte sich, hin und wieder war er unregelmäßig.
„Herzrhythmus beeinträchtigt.“ Ihre Zunge war schwer.
Sie lehnte sich in ihrem Laborstuhl zurück und wartete, während das Gift ihre Gefäßwände von innen wie mit spitzen Nägeln bearbeitete. Ihre Haut juckte und sie musste sich zusammennehmen, nicht zu kratzen.
Als die Reaktion auf das Gift den Höhepunkt erreichte, protokollierte sie: „Final Peak nach drei Minuten fünfzehn.“
Dann war es, als lösten sich die Synapsen in ihrem Gehirn für einen Moment von ihren Gegenspielern. Emilia seufzte. Die Welt um sie herum verlor an Farbe und Kontur. Es folgte der Augenblick, in dem sie ihren Körper für einige Sekunden verließ.
So muss sich der Tod anfühlen, dachte sie. Leise, einfach umgeben vom Nichts.
Der stille Rausch des Sterbens hielt Emilia gefangen und sie verlor das Zeitgefühl.
Einige Minuten später kam der Moment der Rückkehr. Ihr Körper ächzte unter der Anstrengung, das Gift in ihren Zellen zu neutralisieren. Doch auch wenn es sie viel Kraft kostete, ihr Organismus war schlauer geworden. Sie spielte nun zum dreizehnten Mal gegen das Elixier ihrer Avicularia Emilia und bald würde ihr Körper größere Mengen davon verkraften.
„Ich kann meine Hände wieder bewegen.“
Emilia blieb noch ruhig sitzen, um wieder zu Kräften zu kommen, während ihre Gedanken zu Dimon glitten. Sie stellte sich unwillkürlich vor, wie ihr Mann reagieren würde, wenn er herausfände, welcher Gefahr sie sich aussetzte, um ihre Gifte zu studieren.
‚Er würde mich eigenhändig erwürgen‘, dachte sie und erschauerte, weil sie sich dessen so sicher war.
„Meine Lippen sind nicht mehr taub“, gab sie zu Protokoll, richtete sich in ihrem Sessel auf und reckte sich. „Motorik normal.“ Sie erhob sich. „Schwindel.“
Als sie ihren Gleichgewichtssinn wieder im Griff hatte, warf sie einen Blick auf die Uhr, die über dem Regal mit ihren Reagenzien hing, und diktierte: „Zwei Stunden, 36 Minuten und 48 Sekunden bis Ausgangszustand.“
Emilia ging zur Transfusionsecke hinüber und ließ sich in den Stuhl sinken. Ihr Herz raste.
„Beiß die Zähne zusammen“, murmelte sie sich zu. „Du wirst nicht ohnmächtig.“
Sie zwang sich zu einer regelmäßigen, tiefen Atmung. Als ihr Blick sich wieder klärte, bereitete sie eine Kanüle vor. Alle paar Tage nahm sie sich Blut ab, um zu überprüfen, ob die Spiele mit dem Gift schon ihren Tribut forderten. Gerade als sie die Schutzhülle von der Nadel entfernt hatte, setzte ihr Herz aus.
Ein Moment der Stille folgte.
Ich sterbe, erkannte Emilia.
Aber sie empfand keine Angst, beobachtete sich nur still. Alles in ihrem Leben hatte sie mit den Augen einer Wissenschaftlerin betrachtet. Mit der gleichen Nüchternheit verfolgte sie nun ihr Herz beim Versagen.
Emilias Augen huschten zu der digitalen Uhr auf ihrem Schreibtisch. Sie zählte die Sekunden. Dann wurde ihr schummerig. Ihr Bewusstsein trat zurück. Sie lachte über die Ironie des Schicksals. ‚Ich habe mir meinen eigenen Todescocktail gebraut.‘
Doch kurz bevor sie ohnmächtig wurde, durchfuhr ein schmerzhafter Pulsschlag ihre Brust. Ihr Körper sog gierig das Leben in sich zurück. Emilia schnappte nach Luft.
„Herzstillstand für neun Sekunden“, vermerkte sie.
Emilia versuchte sich von diesem kurzen Schwächeanfall ihres Herzens nicht beeindrucken zu lassen und nach einer kurzen Erholung machte sie sich wieder an die Blutabnahme. Sie legte das Tourniquet um den Oberarm an, um das Blut in ihren Venen zu stauen. Ihre Hand zitterte, als sie die Nadel auf ihren Arm zubewegte.
Eine Minute später stellte sie das Röhrchen in den kleinen Kühlinkubator und machte bei Blutabnahme einen Haken auf dem allgemeinen Prüfblatt. Vom leisen Summen des Kühlgerätes begleitet, ging Emilia zu ihrem Schreibtisch.
Ich bin selten so angestrengt, dachte sie und gestand sich ein, dass sie die letzten vier Morgen an Übelkeit und Erbrechen gelitten hatte. Vielleicht ist dieses Hyper-Tox zu stark für mich.
Kaum gefasst, verdrängte sie die Gedanken an ihre Symptome wieder, ersetzte Skepsis durch Zuversicht und sagte still ihr Mantra auf: Mir wird die Immunisierung gegen meine Avicularia gelingen. Mir wird die Immunisierung gegen meine Avicularia gelingen …
Emilia ließ sich in den Bürostuhl fallen, nahm sich ein Malzbier aus dem Minikühlschrank neben ihrem Schreibtisch, dehnte ihre Nackenmuskulatur und rieb sich die Lider. Sie freute sich schon aufs Bett. Gerade als sie sich erhoben hatte, klingelte das Labortelefon.
„Hallo?“, hustete sie verhalten in den Hörer.
„Ich bin es.“ Dimons Stimme fuhr ihr durch Mark und Bein.
„Wo bist du?“, rief sie aus.
„Oben.“
Emilia erstarrte.
„Kommst du hoch?“, fragte er.
Sie nickte. Dann legte sie auf. Emilia schlug sich die Hand vor den Mund. Ein Schaudern überkam sie, gab den Giftrückständen in ihren Zellen noch einmal die Chance, ihre Wirkung erneut zu entfalten und ließ sie zittern wie Espenlaub.
Wieso ist er heute schon gekommen? Eine Katastrophe!
Emilia sprang auf und taumelte fast gegen ein Regal. Das Gift hatte die Macht über ihre Beine noch nicht aufgegeben.
„Was für ein Desaster!“, zischte sie und fragte sich, wie sie ihren Zustand glaubhaft erklären könnte.
Emilia hastete zum Spülbecken, stellte das kalte Wasser an und warf sich davon eine Handvoll ins Gesicht. Dann wappnete sie sich, um in den Spiegel zu gucken. Der Anblick übertraf ihre schlimmsten Befürchtungen. Sie löste das Zopfband aus ihrem Haar und kämmte sich einige Strähnen ins Gesicht.
„Vom Regen in die Traufe“, knurrte sie, denn nun betonte das Schwarz ihres Schopfes nur noch mehr ihre Blässe.
Sie kniff sich in die Wangen, um etwas Farbe auf ihre Haut zu bringen. Das Telefon schellte erneut, sie ignorierte es. Ihre schwarzbraune Iris war von einem feuerroten Augapfel umgeben. Ihre Pupillen weit geöffnet. Sie musste eingestehen, sie sah gerade wie ein Junkie aus. Sie verfluchte sich still mit abenteuerlichen Verwünschungen, denn es gab eine Sache auf der Welt, die ihr wichtiger war als das Gift. Und das war Dimon. Zwei inkompatible Leidenschaften, da ihr Mann niemals ihre Selbstversuche gutheißen würde.
Und jetzt? Panik flatterte in ihr auf.
Da fieberte sie geschlagene fünf Wochen auf seine Rückkehr hin und jetzt wünschte sie sich nichts mehr, als dass er verschwand. Wenn Emilia ein Mensch gewesen wäre, der weinte, wäre dies der passende Moment gewesen, um ein paar Tränen der Verzweiflung zu vergießen. Aber sie weinte nicht. Niemals.
„Komm schon!“, feuerte sie sich selbst an. Sie musste jetzt handeln.
Sie lief zum Aufnahmegerät hinüber und löste daraus die Kassette mit den letzten dreizehn Sprachprotokollen. Sie verstaute sie in einem ihrer Tresore, die, gut versteckt, einige ihre geheimen Forschungsaufzeichnungen unter Verschluss hielten.
Ein letzter Blick in den Spiegel, der ihr jegliche Hoffnung nahm, dass Dimon nichts bemerken würde, dann legte sie ihren weißen Kittel ab. Sie war es so gewöhnt, die Arbeitskleidung zu tragen, dass sie sich in ihren schwarzen Jeans und dem enganliegenden, dunkelgrauen Longsleeve nackt fühlte.
„Auf geht’s“, sprach Emilia sich aber Mut zu, öffnete die schwere Brandschutztür, trat aus ihrem Labor hinaus und in ein anderes Leben hinein.
Nachdem sie die elektronischen Schlösser verriegelt hatte, tappte sie die ersten Stufen hinauf. Ihre Füße waren Bleiklumpen, ihre Beine brannten und ihr Herz raste wild. Sie musste einen Augenblick innehalten, bis sie die nächste Stufe meistern konnte.
Plötzlich hörte sie jemanden eilig die Treppe herunterkommen. Ein unbehagliches Gefühl überkam sie, als die Schritte immer lauter wurden. Als sie die Gestalt des Mannes, der ihr entgegenkam, auf den zweiten Blick erkannte, ließ sie vor Erleichterung die angehaltene Luft aus den Lungen entweichen.
„Herrin, kann ich Ihnen helfen?“ Wadim reichte ihr die Hand.
Emilia ergriff diese und sank dankbar an die Brust des Hauswartes. „Wenn du mir die Treppen hinauf helfen würdest? Ich habe mir den Magen verdorben.“
„Ich trage Sie“, sagte er und hob sie kurzerhand hoch.
Mühelos brachte er Raum zwischen Emilia und ihre verbotenen Giftstudien. Sie wusste, dass er viel Sport trieb, während sie im Keller forschte. Dennoch war sie überrascht von der Leichtigkeit, mit der er sie trug.
Vor der Kellertür stellte Wadim sie auf ihre wackeligen Beine. „Sie müssen außer sich sein vor Freude“, flüsterte er, als er die Tür aufdrückte.
„Oh, Wadim, ich bin außer mir“, gab sie tapfer lächelnd zurück und klopfte ihm auf die Schulter.
„Der Herr ist bereits aufs Zimmer gegangen, um sich frisch zu machen“, rief er ihr hinterher.
Sie nickte.
Als sie einige Augenblicke später die Klinke zur ihren gemeinsamen Räumlichkeiten hinunter drückte, leckte sie sich noch einmal über die spröden Lippen. Sie schmeckte Blut, als sie eintrat.
„Dimon?“
Im Wohnzimmer fand sie ihn nicht. Sie schlich zum Schlafraum, aber dort stand lediglich sein geöffneter Koffer. Die Tür zum Ankleidezimmer stand ein Stück auf. Sie ging hinüber, spähte mit verschleiertem Blick hinein, erkannte aber nur schemenhaft das Inventar.
Die Badegemächer lagen hinter der Ankleideabteilung, die Tür war nur angelehnt. Sie ging hinüber und nahm dann erst das Plätschern der Dusche wahr.
„Das kann ja was werden“, murmelte sie, atmete einmal tief durch und trat ein.
Dimon stand von ihr abgekehrt, den Kopf leicht gesenkt, sich mit einer Hand an der gefliesten Wand abstützend, die andere im Nacken. Das Wasser schoss auf ihn herab, traf seinen muskulösen Rücken, lief über seinen wohlgeformten Hintern und floss an seinen kräftigen Schenkeln herab.
Wunderschön, durchfuhr es Emilia. Eine männliche Skulptur aus Bronze gegossen, das war er für sie mit seinem definierten Körper und den markanten Gesichtszügen.
„Kopfschmerzen?“, fragte sie leise.
Er drehte den Kopf ein wenig in ihre Richtung, sah sie aber nicht an. Er lächelte. Sein blondes Haar war ihm in die Stirn gespült worden. Sie ging auf die türlose Dusche zu, war aber zu beeindruckt, um Dimons nassen, glänzenden Leib sofort zu berühren. Zu lange hatte sie diese Wonne ersehnt, jetzt erstarrte sie in Ehrfurcht.
„Ja. Ich hab mir den Nacken verspannt“, antwortete Dimon, von seinen Lippen perlte das Wasser. „Massier’ mich, Emilia.“
Der leidenschaftverheißende Befehl löste sie aus ihrer Starre und Emilia führte ihre Hände zu seinem Nacken, drückte die Daumen auf die Muskulatur, strich sie aus, massierte den Übergang von Hals zu Kopf. Dann fuhren ihre Hände wie von selbst über seine glatten Schultern. Er hatte kein breites Kreuz, aber seine Arme waren außergewöhnlich stark. Emilia senkte ihre Lippen auf die muskulösen Stränge, die zu seinen Händen hinab verliefen. Wassertropfen befeuchteten ihr Gesicht. Ihre Kleidung sog sich voll und wurde schwer. Eine Hand legte sich um ihren Rücken, er zog sie nahe an sich heran und ihre Finger bewegten sich zu seiner Brust.
„Willst du dich nicht besser ausziehen?“ Dimons Stimme zog eine Melodie durch den Raum und traf ihr betäubtes Gehör.
Als sie eine Bewegung in seinem Leib fühlte, schloss Emilia fieberhaft ihre giftgeröteten Augen. Er drehte sich zu ihr herum. Sie schmiegte sich an ihn.
„Du zitterst“, stellte Dimon fest.
„Mir ist kalt.“
Mit der einen Hand stellte er das Wasser heißer und mit der anderen schob er ihr Shirt hoch. „Du musst aus den Sachen raus!“, beschloss er und führte den Befehl selbst aus.
Während die starken Hände ihres Mannes sie aus Hose und Shirt schälten, kam die Klarheit in ihren Kopf zurück. Die unumstößliche Liebe, die sie für Dimon empfand, verlieh ihr ungeahnte Kräfte gegen das Gift ihrer Hyper-Tox-Spinne und bald waren all ihre Sinne hellwach. Als Dimon sich nach einem tiefen Kuss von ihr löste und sie gegen die Fliesen drückte, durchfuhr das erhebende Gefühl des Triumphes ihren Körper. Selbst das tückische Gift der Avicularia war nun besiegt.
Dimon hob sie hoch. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und küsste das Wasser von seiner Wange. Sie gab sich der Kraft ihres Geliebten hin, während er mit einem genießerischen Stöhnen in ihr versank."

Jetzt wird das Buch noch schön eingepackt und dann geht’s hinaus ins Lektorat. Ich hoffe, die Amazonen kommen ungeschoren davon und können in Ruhe das Fliegen lernen <3

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